Ein paar Schritte
vom meistbesuchten Ort Wiens entfert, dem Stephansdom, befinden sich versteckte Plätze, zumeist liebevoll gepflegt und frei zugänglich. Fast täglich versuche ich, neue, besondere Orte zu finden, um diese zu einzigartigen Führungen für Gäste aus dem In- und Ausland zu gestalten.
Das Wort "Innenhof"
zaubert vielen Menschen sofort ein Lächeln ins Gesicht und es ist unglaublich, wie viele schöne Orte auch in unserer Inneren Stadt, offiziel der 1. Bezirk genannt, zu besichtigen sind, die übrigens nur 16.000 Einwohner zählt. So ein Kleinod muss natürlich gefunden werden, betritt man es mit Respekt oder Bewunderung, wird sich selten ein Bewohner ärgern, sondern manchmal sogar freuen.
Bassena
Viele Innenhöfe beruhen auf der alten Bauart von Häusern und gehen sogar auf das Mittelalter zurück. Das "Griechenbeisl" zum Beispiel, gilt als eines der ältesten Gasthäuser Wiens und ist besonders für Kinder geeignet, kann man ihnen dort die Geschichte vom "lieben Augustin" erzählen, der sogar im Keller sitz. Ebenso kann man waschechte Kanonenkugeln aus der ersten Türkenbelagerung 1529 berühren. Die Inneneinrichtung ist ebenso sehenswert wie der Innenhof, einer der engsten der Stadt. Wenn man den Kopf dort hebt, wird man sogar eine "Bassena" entdecken, die Wasserstelle am Gang, die bis vor nicht allzu langer Zeit in Gebrauch war. Ob das Wort aus dem Französischen "Bassin" oder Italienischen "Bacino" stammt, ist nicht geklärt.
Renaissance
Ein besonders schöner Innenhof befindet sich in der Bäckerstraße 7 im sogennanten "Haus Stampa". Er ist einer der wenigen in Wien verbliebenen Säulenarkadenhöfe aus der Renaissance. Wochentags am Vormittag ist der Hof meist zugänglich. Wenn Sie den Blick nach oben richten, sehen Sie wunderbare schmiedeeiserne Gitter, die aus der Sammlung des Biedermeier Malers Friedrich von Amerling (1803-1887) stammen.
Natternzungenkredenzen
Einer der bekanntesten Innenhöfe ist der des "Deutschen Ordens", zugänglich über die Singerstraße 7. Schon beim Eingang lohnt sich ein Besuch der Kirche, die viele verborgene Schmuckstücke enthält und ebenfalls zum Deutschen Orden gehört. Heute handelt es sich nicht mehr um einen Ritterorden, sondern um eine römisch-katholische Ordensgemeinschaft mit Sitz in WIen. Wolfgang Amadeus Mozart hat hier gewohnt, ebenso Johannes Brahms - was weniger bekannt ist. Die Schatzkammer des Ordens ist ein Geheimtipp und zeigt einen der kuriosesten Schätze überhaupt: eine Natternzungenkredenz, erstmals 1526 erwähnt. Diese wurden seit dem Mittelalter verwendet, um giftige Speisen zu erkennen und so dem Tod zu entgehen - aber das ist eine andere Geschichte. Genießen Sie vom Innenhof einen der charmantesten Blicke auf den Wiener Stephansdom und staunen Sie über die Blumenpracht, die täglich vom Mesner des Hauses liebevoll gepflegt wird.
Einzigartige Blickwinkel
Entlang der Grünangergasse erhalten Sie weitere, einzigartige Blickwinkel auf den Stephansdom. Entlang der Singerstraße befinden sich zahlreiche Innenhöfe, die meist wochentags zugänglich sind, da dort oft Geschäfte oder Büros geöffnet haben. Bestimmt finden Sie bald Ihren eigenen Lieblingshof.
Wöckherl-Orgel
Einer meiner liebsten Plätze ist der Franziskanerplatz, mit dem "Kleinen Café" und anderen charmanten Etablissements. Von hier aus gibt es noch viel mehr zu entdecken, etwa das versteckte Renaissance-Portal der gleichnamigen Kirche oder die älteste noch bespielbare Orgel Wiens. Der Wiener Orgelbauer Johann Wöckherl (ca. 1594-1660) baute diese um 1642. Von April bis Oktober können Sie an einer Präsentation teilnehmen (jeden Freitag, 14.00 bis 14.45 Uhr, Eintritt).
Ballgasse
In dieser besonders malerischen Gasse befinden sich einige bemerkenswerte, josephinische Wohnhäuser mit ebenso charmanten Innenhöfen, die häufig wochentags zugänglich sind. Der Namer der Gasse - was in Wien schwer zu glauben ist - geht jedoch nicht auf ein Haus zurück, in dem Bälle abgehalten wurden, sondern auf eines der ältesten Ballspielhäuser Wiens, das "Ballhaus auf der Dacken", in dem ein Vorläufer des Tennis gespielt wurde: das Jeu de Paume. Seit 1684 heißt die Gasse "Ballgässel", woraus später die Ballgasse wurde. Sollten Sie Katzenfreund sein: An der Ecke zur Blumenstockgasse befindet sich das erste Katzencafé Wiens, das "Neko".
"Zeig mir, was du sammelst, und ich sage dir, wer du bist"
Ich habe nie gezählt, wie viele Innenhöfe ich kenne, und jede Woche kommen neue hinzu. Nicht immer hat man Zutritt, aber sobald sich die Gelegenheit bietet, genieße ich den Blick, notiere die Adressen, fotografiere und schlage zu Hause in meinen Büchern nach.
So sammle ich "meine" besonderen Orte.
Ich hoffe, dass ich Sie mit diesem Blog inspiriere, auch selbst auf Entdeckungsreise zu gehen.
Wenn Sie lieber mit mir spazieren, dann freue ich mich sehr, Sie auf eine der Touren mitzunehmen, denn es gibt bereits zwei eigenständige Innenhoftouren, die ich für Interessierte anbiete. Am liebsten höre ich dabei: "Hier war ich noch nie."
Tipps & Links
Die vermischte Warenhandlung und Buchhandlung Aichinger: privat betrieben, bezaubernd, einzigartig und in einem der schönsten Innenhöfe der Stadt gelegen.
Hier der Link.
Schatzkammer des Deutschen Ordens:
Hier der Link.
Bücher:
Verborgenes Wien von Michaela Lindinger
Geheime Pfade von Gabriele Hasmann und Charlotte Schwarz und
2000 Jahre Wohnen in Wien von Wolfgang Förster
Nächste Innenhoftouren mit Elisbeth Wolf: siehe Touren
Fotos: Artissimi (1, 2), Claudia Blake (3)